Wenn der Tod entnervt aufgibt – eine Rezension
von Alva Liv
Rolf Marti legt in seiner 2021 erschienen CD «Verwächslig» mit viel Esprit und Können eine nicht zu verfehlende Fährte. Eine unverwechselbare.
Der nachgeborene Berner Troubadour beginnt sein neues Album mit philosophischen Betrachtungen. Mit einem «Dänkproblem». Dabei folgt er treu Mani Matters Grundsatz «soyons banals». Das macht seine Texte zwar leicht zugänglich aber niemals plump. Denn ein fein gedrechseltes Berner Chanson mit einer banalen und doch überraschenden Moral pointiert abzuschliessen ist nach wie vor eine Kunst. Die vielleicht feinsten Marti-Lieder folgen mit «Dr Herr Reinek» (frei nach Pol Serge Kakon) und «Ga» direkt auf die eröffnenden Denkprobleme. Marti besingt dabei das Loslassen der Jugend, unseres eigenen Nachwuchses, welcher Lieder singt, die nicht mehr die unseren sind und Pfade beschreitet, die wir selber nicht mehr beschreiten werden. Plötzlich weht ein Hauch Wehmut durch die sonst eher von trockenem Humor geprägten kleinen Werke.
Und dann kommt es eben zur «Verwächslig». Der Tod klopf an Martis Türe. Und verlässt schliesslich – von Marti administrativ aufs Glatteis geführt – völlig entnervt den Ort des Geschehens. Gerade nochmals Glück gehabt. Wunderbar. Seit Sisyphos wissen wir ja, wie der Sensemann im Keller betrunken zu fesseln oder auch einfach, alle Trauer unterlassend, kalt zu ignorieren ist. Hoffen wir, Rolf Marti werde für seine eigene Version dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, nicht von irgendeinem humorlosen Zeus ähnlich hart bestraft wie der fast kaum unter die Erde zu kriegende Griechische König, der wohl heute noch geduldig seinen Stein zum Gipfel hochschleppt. – Fast im selben Atemzug folgt das zweite Lied der CD, das eine Bearbeitung eines fremden Originals ist: «Café de la vie», mit einem Text zwar von Rolf Marti, aber auf eine Melodie von Georges Moustaki.
Zuletzt beschäftigt sich Rolf Marti auf «Verwächslig» mit Beziehungsproblemen. Mit seiner Schüchternheit etwa, die ihn bei Frauen um so manche Chance und Gelegenheit gebracht hat. Oder mit einem Dreier, der mit tödlichen Schüssen endet. Aber wie anders sollte ein so heiter morbides Album auch enden als mit einer Moritat.
Rolf Marti zeigt mit seinen neuesten Liedern, dass das Genre «Berner Chanson» fast kaum tot zu kriegen ist. Jedenfalls nicht, solange sich ihm einer wie er, mit Herz, Hirn und Humor – und in jeder Hinsicht mit grosser Sorgfalt – verschreibt.