Aernschd Born. Eine Hommage zum 75. Geburtstag
Am 11.12. 2024 wurde Aernschd Born 75 Jahre alt. Eine Gelegenheit, eines grossen Schweizer Liedermachers, eines Gründungsmitglieds und langjährigen Präsidenten unseres Vereins, der Liederlobby Schweiz, zu gedenken. Wie aber schreibt man über einen Mann, über den schon sehr viel und viel Wichtiges und Gutes geschrieben wurde?
Darüber nachdenkend erinnerte ich mich, dass Aernschd nicht nur ein sehr wichtiger Teil der Entstehung der Liederlobby ist, sondern auch meiner künstlerischen Biografie. Und dass ich ihm das möglicherweise nie gesagt habe. Denn manchmal vergisst man, ganz selbstverständlich gefangen in der eigenen Perspektive, das scheinbar Offensichtliche auszusprechen. Heute erlaubt mir mein Amt als Präsidentin der Liederlobby – als ständig Lernende in Aernschds grossen Fussstapfen – meinen persönlichen Blick auf diesen Künstler hier öffentlich zu machen.
Ich bin mit Mundart-Musik aufgewachsen, mit Polo Hofer, mit Mani Matter und den anderen Troubadouren. Das war aber für das Mädchen, das ich damals war, lustige Unterhaltung. Dass Lieder auch anders können, wusste ich noch nicht. Irgendwann, mit vielleicht 12 oder 13 Jahren, entdeckte ich eine Platte mit dem Titel «Überentwicklung/Unterentwicklung» im Regal meiner Mutter. Sie war schon etwas älter, aus dem Jahr 1978, aber ob meine Mutter sie schon lange dastehen hatte oder sie erst kürzlich dazu gekommen war, könnte ich heute nicht mehr sagen. Auf dieser LP waren auch zwei Lieder von Aernschd Born: «Victor Jara» und «1977 Bürgerlied» Als ich sie auflegt, tat sich mir eine neue Welt auf. All das, worüber wir redeten und stritten und wovor wir uns fürchteten und worüber wir uns Gedanken machten, all das liess sich in Worte fassen, in Lieder giessen. Melodien, die schmeichelten und Sätze, die wehtaten. Worte, die Mut machten oder der Verzweiflung Ausdruck verliehen. Ich könnte heute noch viele dieser Lieder auswendig mitsingen, allen voran den «Victor Jara».
Ich begann, selber Texte und Lieder zu schreiben, die meinen eigenen Ansprüchen kaum genügten. Einige Jahre später schrieb ich meine Maturaarbeit im Fach Geschichte. Thema: Politische Lieder. Und immer wieder tauchten in meinen Recherchen Aernschd Born und seine Lieder auf. Sie sind ein unverrückbarer Teil der Schweizer Liederszene.
Mein eigenes Leben nahm eine für mich ungeplante Wendung. Als berufstätige Mutter wurde es schwierig, noch künstlerisch tätig zu sein. Das Experiment «Familie» scheiterte meinerseits auch daran. Ich packte meine Kinder und meine Sachen zusammen und zog nach Basel. Dort machte ich auch einen künstlerischen Neuanfang. Ich fing wieder an zu schreiben und zu singen.
Im Sommer 2008 stiess ich auf die Liederlobby und auf den Kulturpavillon. Die Quelle könnte ich nicht mehr benennen. Aber ich erinnere mich an meine Aufregung, meine Begeisterung – und meine Angst. Ein Idol zu treffen, macht sprachlos. Ich lernte aber in aller erster Linie einen grossartigen Menschen kennen, der offen und neugierig auch auf kleine Lichtlein wie mich zuging. Der mich willkommen hiess in der Gemeinschaft der Liedermacher:innen.
Ich durfte im Kulturpavillon an einem offenen Abend einen meiner Texte lesen. Ich trat – mit gemeinsam mit vielen anderen – an der allerersten Chansonade an der Kleinkunstbörse in Thun auf, in einem Klassenzimmer weit ab vom Schuss und vor vielleicht drei Leuten.
Kurz vor Aernschds 60. Geburtstag erreichte mich ein Anruf: Er plante eine szenische Lesung seines Krimi-Hörspiels und hatte ein grossartiges Ensemble von Schauspielern zusammen, als kurz vor dem Abend jemand krank wurde. Ob ich diesen Teil übernehmen würde? Ich fühlte mich geehrt, geschmeichelt und komplett überfordert. Im Rückblick denke ich, dass ich die Sache wenigstens nicht völlig vermasselt habe.
Zu diesem Zeitpunkt liess meine persönliche Situation es noch nicht zu, in der Liederlobby Vorstandsarbeit zu übernehmen. Aber Aernschd hätte mir auch diese zugetraut.
Wir sind uns in den folgenden Jahren immer wieder begegnet. An Anlässen im Kulturpavillon, an GeneralversammlungenderLiederlobby, an Konzert wie der Vernissage zu seinem Buch «Eifach e Lied». Jedes Mal, wenn ich am Rhein entlang Richtung Huningue und Dreiländerbrücke spaziere, freue ich mich, seinen Text über «ghöre und lose» am DreylandDichterwäg zu lesen.
Seither hat sich vieles getan. Schönes und nicht so Erfreuliches. Der Kulturpavillon musste schliessen. «Der Musikant am Strassenrand» erschien, ein Buch mit Geschichten über Aerschnds Leben als Strassenkünstler. Heute schreibt Aernschd Born Kolumnen und Texte für andere Künstler. Er arbeitet alleine oder mit seiner Partnerin Barbara Preusler an verschiedenen Projekten.
Die Hommage ist viel kleiner ausgefallen als möglich gewesen wäre, aber dafür sehr viel persönlicher. Ich danke Aernschd für alles, was er ermöglicht hat – mir als junges Mädchen, als unsichere Liederschreibende, als Vor-Vorgänger in meinem Amt als Präsidentin der Liederlobby. Es ist eine Freude, seinen Liedern zu begegnen.